Ein böhmischer Musikant, der uns Wiener Tradition lehrte
Vor allem aber mit jenem Mann, der am Dirigentenpult
waltete und die Philharmoniker dazu animierte, in einer Gelöstheit
aufzuspielen, wie sie das wirklich nur an Feiertagen tun.
Václav
Neumann war der Garant dafür, dass die Wiener Musiker gelegentlich daran
erinnerten, dass der viel gerühmte Wiener Streicherklang eigentlich in
der wienerisch-böhmischen Geigerschule wurzelt.
Wann immer dieser
Dirigent auf dem Podium erschien, spielten die Musiker auf, wie ihnen
der sprichwörtliche „Schnabel gewachsen ist“; das tun sie nur für
Maestri, die sie lieben und in deren Hand sie sich wirklich wohlfühlen.
Neumann,
der Mann aus Prag, war ein solcher Musiker. Er hatte in seiner
Heimatstadt studiert und begründete unmittelbar nach dem Zweiten
Weltkrieg das Smetana-Quartett mit, dessen Primgeiger er war, bis er
sich zur Kapellmeister-Laufbahn entschloss. Die führte ihn an wichtige
Opernhäuser und auf die wichtigen Konzertpodien der Welt.
Dazu musste
der Dirigent mit den kommunistischen Machthabern in seiner Heimat zwar
seinen Frieden machen. Doch als die Warschauer-Pakt-Mächte den
politischen Frühling in seiner Heimat gewaltsam beendeten, legte er aus
Protest sein Amt als Chefdirigent des Leipziger Gewandhaus-Orchesters
nieder.
Das war ein Schlag für das deutsche Musikleben, denn im
Vertrauen der Klangtradition dieses Orchesters hatte Neumann gerade
damit begonnen, herausragende Aufnahmen zu machen – voran grandiose, bis
heute kaum egalisierte Einspielungen von Gustav Mahlers Symphonien Nr. 5
und 6, die gehört haben muss, wer über Mahler-Interpretation mitreden
möchte.
Als erster Dirigent der Tschechischen Philharmonie konnte
Neumann dann nicht verhindern, dass sich gegen Ende der kommunistischen
Ära Ermüdungserscheinungen breitmachten. Doch bei Gastspielen im Westen
blieb er ein stets umjubelter, geliebter Musikant.