WIENER OPERNGESCHICHTE

Im 18. Jahrhundert war der Kaiser noch sein eigener Impresario

Wiener Operngeschichte – da denkt der Kenner an das weltberühmte Haus am Ring, vielleicht auch an die Blütezeit der Wiener Volksoper. Und natürlich an das Theater an der Wien, wo immerhin die Urfassung des „Fidelio“ uraufgeführt wurde und das nach langen Querelen und Musical-Missmanagement heute wieder für eine Belebung der Musiktheaterszene der Stadt sorgt.

Aber Oper Wien, das ereignete sich über lange Jahre auch dort, wo heute das Hotel Sacher steht, im Kärnt(h)nert(h)ortheater, dessen Geschichte Michael Jahn in der Publikationsreihe des „Apfel“-Verlags ein dickleibiges Kompendium gewidmet hat.

Als der Kaiser noch Impresario war

Nebst präzisen Statistiken findet der Musikfreund in Jahns Einleitungsessay auch längst Vergessenes über die schon zu Maria Theresias Zeiten heftige Opernleidenschaft dieser Stadt; aber auch vom Wankelmut der wienerischen Muse, die es Veranstaltern stets schwer gemacht hat, den rechten Gusto zu treffen. Dass die allerhöchsten Herren irgendwann die Lust daran verloren, selbst für die Führung ihrer Theater verantwortlich zu sein, wird daraus nur zu verständlich. Noch Joseph II. war sein eigener Impresario gewesen. Seine Fachgespräche mit Mozart sind denn auch in die Musikgeschichte eingegangen. Bruder Leopold hat in seiner kurzen Herrschaftszeit an dieser Tradition festgehalten. Doch sein Nachfolger verpachtete die höfischen Theater, schon 1794, als er noch Franz II. war.

Damit begann eine bewegte Geschichte wienerischer Opernkultur, die sich bald nicht mehr an imperialen Kunstgelüsten, sondern nur noch an den Gesetzen des Marktes orientierte. Unter diesen Auspizien wurde schon Anfang des 19.Jahrhunderts die Frage italienische oder deutsche Oper beinah zur ideologischen Debatte. Noch wichtiger: Spätestens mit der Wiederaufführung Mozartscher Opern nach 1810 begann man ein Repertoire retrospektiver Prägung aufzubauen.

Die Zeiten, in denen man einen Spielplan fast ausschließlich aus Novitäten zusammenstellen konnte und wollte, waren im Biedermeier schon vorüber. Mancher Intendant wurde zur Legende, Domenico Barbaja vor allen anderen, der gleich bei Amtsantritt, 1821, antiitalienischen Angriffen mit einem genialen Coup entgegentrat, indem er niemand Geringeren als Carl Maria von Weber nach Wien holte. Dass dessen für diesen Zweck komponierte „Euryanthe“ dem Bruder „Freischütz“ nicht das Wasser reichen konnte, steht auf einem ganz anderen Blatt – erst 2019 gab man Webers romantischem Musiktheaterexperiment wieder eine Chance. Meistaufgeführte Oper in deutscher, aber auch italienischer Sprache war zu Beethovens Zeiten sowieso Rossinis „Barbier von Sevilla“ . . .

Buchtipp: Michael Jahn: Die Wiener Hofoper von 1810 bis 1836 – Das Kärnthnerthortheater als Hofoper. 728 S., Verlag Der Apfel, Wien.


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