Über den Musikkrrrrrritiker
Hanslicks Erben haben anderes zu tun als der Allvater aller
Rezensenten. Sah er noch in der Beleuchtung des zeitgenössischen
Musikschaffens seine Hauptaufgabe, gilt die Betrachtung heutzutage nur
noch musealer Reproduktion.
Eine Würdigung Eduard Hanslicks
... und noch ein Feuilleton zum Thema
Und die Geschichte, wie ich Rundfunkmoderator wurde: "Hören als Abenteuer"
Franz Endler, der Mann, der mich in die "Presse"-Redaktion holte
Da
ist einmal die ungeheure Ausdehnung, die ein solches Feuilleton
einnahm. Was wir in unserer Jubiläumsnummer abdrucken können, ist ein
kleiner Auszug von Hanslicks musikalischer Analyse – etwa ein Viertel
des Textes von damals. Und es handelt sich dabei lediglich um den
musikalischen Teil der Rezension, die Hanslick insgesamt in vier Teile
gliederte – wohl in Anlehnung an Wagners Aufteilung seines Dramas auf
„einen Vorabend und drei Tage“ . . .
Drei weitere Feuilletons
erschienen zwischen 14. und 19. August 1876 – eines über die Dichtung,
eines über das Bayreuther Festspielhaus und ein abschließendes über
„Aufführung und Totaleindruck“. Letzteres verstünden wir heutzutage
unter einer Premierenkritik, wobei wir davon ausgehen können, dass der
Schreiber dieser Zeilen demnächst – zwischen 27. Juli und 2. August,
wenn die Rezensionen des Jubiläums-„Rings“ am Uraufführungsort anstehen –
für die vier geplanten Texte insgesamt vielleicht so viel Platz
bekommen wird, wie er Hanslick einst für einen seiner vier Beiträge
zustand.
Pegelstandsmessung
Das Wichtigste aber: „Aufführung und Totaleindruck“ sind es, über
die Hanslicks Ururenkel in der Regel zu berichten haben. Aus der
Berichterstattung über neue Werke, analytischer Auseinandersetzung mit
Text und Musik eines eben uraufgeführten Musikdramas ist die Betrachtung
des „nachschaffenden“ Kunsthandwerks geworden.
Musikkritik anno 2013
ist längst eine Begleiterscheinung des reproduzierenden Musikbetriebs
geworden. Sie hat etwas mit Pflege und Wartung, mit Pegelstandsmessung
zu tun – eine Auseinandersetzung mit der Frage, wohin sich die Kunst,
die Kunstproduktion entwickeln könnte, wird vom Feuilleton kaum noch
erwartet.
In der Ära der Postmoderne stellt sie kaum noch jemand. Und
das Interesse des Leserpublikums an dem, was hoch subventioniert von
Spezialensembles bei Festivals zeitgenössischer Musik hervorgebracht
wird, ist, höflich gesprochen, enden wollend.
Viel spannender scheint
es, sich über die Repertoirebildung in den großen Klangmuseen in Europa
Gedanken zu machen – ob man Bruckners Achte im Musikverein lieber von
Christian Thielemann oder Sir Simon Rattle dirigiert, die Brünnhilde in
der Staatsoper von Nina Stemme oder Evelyn Herlitzius gesungen hören
möchte.
Zur Aufrechterhaltung des museal gewordenen Musikbetriebs
gehört die begleitende Musikkritik dazu wie die zu Recht immer
eingeforderten Rundfunk- und TV-Übertragungen. Unterbleiben diese,
drängen die Medien die Kulturberichterstattung schrittweise zurück,
droht das Kulturleben zu veröden. Die USA, wo die meisten Zeitungen die
Musikkritik abgeschafft haben, bieten das beste Beispiel für die
sukzessive Ausdehnung der Kulturwüste, die nur noch vor Metropolen wie
New York ein wenig haltmacht.
Hierzulande, wo der tönende
Museumsbetrieb noch glänzend funktioniert, sollte man sich hie und da
sogar den Luxus gönnen nachzulesen, was der Allvater der Musikkritik,
Hanslick, einst zu den Hervorbringungen seiner Zeit zu schreiben wusste.
Nicht die immer wieder zitierten Fragmente, sondern die gesamten Texte
sollte man lesen, um zu ermessen, wie ungemein gebildet und wohl
vorbereitet dieser Mann sich auf seine jeweiligen Aufgaben eingelassen
hat. Dass er Komponisten wie Bruckner oder gar Wagner einseitig
abgelehnt hätte, lässt sich dann wirklich nicht mehr behaupten.
Eher
schon, dass manche Vorhersagen auf lange Sicht eingetroffen sind – etwa
jene von der drohenden Ghettoisierung der „ernsten Musik“. Auch berühmte
Bonmots wie das von „Musik, die man stinken hören kann“, gemünzt auf
Tschaikowskys Violinkonzert, sind falsch zitiert und aus sinnvollem
Zusammenhang gerissen.
Aber das ist eine andere Geschichte, aus alten
Zeiten eines Blattes, das seit seiner Gründung nur sechs Erste
Musikkritiker beschäftigt hat. Dank Hanslicks fast ein halbes
Jahrhundert währender Tätigkeit folgten ihm vor 1938 nur zwei Kollegen;
auch sie trugen prominente Namen: „Opernball“-Komponist Richard
Heuberger und Komponistenvater Julius Korngold . . .
2004 erschien ein Feuilleton zum Thema im "Spectrum" der "Presse":
Warum ich ein Fossil bin? Über den Beruf des Musikkritikers - nach 20 Jahren Erfahrung (2004)