HERMANN PREY
Zuerst einmal der Figaro: Wenn Hermann Prey als Rossinis „Barbier” angesetzt war, dann ereignete sich im Opernhaus so etwas wie die natürliche Verschmelzung der sogenannten „ernsten” mit der sogenannten Unterhaltungsmusik. Denn Prey war ein Versöhner, der auch Menschen zur Oper brachte, die ohne ihn keinen Schritt in einen solchen Musentempel gewagt hätten.
Das war ein Effekt des beginnenden Fernsehzeitalters, als die TV-Gewaltigen sich noch sehr an den althergebrachten Vergnügungsformen orientierten und sich aus den Theatern die beliebtesten Stars für ihre Produktionen holten. Es konnte nicht ausbleiben, daß Hermann Prey, der Bariton mit der weichen Schmeichelstimme und dem sympathischen Lieblings-Schwiegersohn-Image, vom Opernhelden zu einem Star des neuen Mediums avancierte.
Dort zeigte sich alsbald, daß er in Sachen leichter Muse ebenso firm war wie bei Mozart oder Richard Wagner. So herrlich er den Wolfram im „Tannhäuser” sang, so richtig agierte er bei Johann Strauß. So etwas verbindet scheinbar Unvereinbares. Der unermüdliche Vorkämpfer für das klassische Lied vermittelte auch Schlagermelodien den nötigen Schmelz – er gab ihnen aber auch Würde.
Wie er ein Schubertlied vom Podest holen konnte und seinen Hörern immer eins an allererster Stelle vermittelte: Menschlichkeit. Da hört ihm dann jeder gern zu, gleich wofür er sich gerade engagiert, hinweg über alle Reviergrenzen. Nur so war es möglich, daß die Persönlichkeit Hermann Preys es zuwege brachte, als Schutzpatron hinter einem scheinbar unrealisierbaren Unterfangen zu stehen: Der Wiener Musikverein wagte sich an des Sängers Lebenstraum und ließ von Prey selbst und unzähligen Getreuen alles, wirklich alles von Franz Schubert – in möglichst chronologischer Reihenfolge – hören.
Das
über Jahre hin ausgedehnte Projekt war so etwas wie die Erfüllung von Hermann
Preys Künstlertum, das immer weitere Kreise zu ziehen wünschte als bloß einen
glaubwürdigen Eugen Onegin, einen quirligen Figaro auf die Bühne zu stellen.
Das sonnige Image, das die Industrie von ihm hergestellt hat, war immer nur ein
Aspekt. Am schönsten hat er es relativiert, als er von Wolfgang Wagners Gnaden
in Bayreuth den Beckmesser in den „Meistersingern” sang: Da staunte mancher
Kommentator über die bewegende Charakterisierungskunst, die aus einer gern
oberflächlich gezeichneten Schablonenfigur einen Menschen aus Fleisch und Blut
formte und ganz neue Facetten der Kunst Richard Wagners vermittelte. Das war
Hermann Prey vor allem: Ein Künstler, der seinen Status als Publikumsliebling
und begnadeter Singschauspieler zur Vertiefung unseres Kunstverständnisses
einzusetzen wußte.